Positionspapier von Verbänden und Akteuren der Radlogistik zur Weiterführung und Erweiterung der E-Lastenfahrrad Richtlinie auf Grundlage der Forderungen einer Novellierung der Verbände ZIV/RLVD/Zukunft Fahrrad vom 31.05.2022

 

Die Welt 2022: Klimakatastrophen bestimmen die Nachrichten und betreffen bereits heute die gesamte Weltbevölkerung. Zum aktuellen Zeitpunkt steuern wir auf eine Erderwärmung von über 3 Grad und damit weitreichende globale Folgen zu. Leider zeigt sich mit Blick auf das gegenwärtige Geschehen wie z.B. bei der im November 2022 stattgefundenen Weltklimakonferenz in Ägypten, dass die weltweite Bereitschaft die Erderwärmung durch wirksame CO2-Einsparungen aufzuhalten noch viel zu gering ist.

Ein starker CO2-Verursacher ist der Verkehrssektor, welcher zwar durch neue Antriebe und höhere Effizienzen optimiert wird, jedoch diese Neuerungen durch ein stetiges Wachstum wieder ausgleicht (vgl. Umweltbundesamt 2022). Insbesondere der durch den weiterhin boomenden Online-Handel begünstigte Logistikbereich ist durch den Einsatz von großen Verbrennerfahrzeugen ein starker Emittent und wirkt sich zusätzlich sehr auf die Lebensqualität in urbanen Bereichen aus.

 

Auch in Deutschland erleben wir diese Situation. Der Online-Handel boomt, das Sendungsvolumen und folglich der Fahrzeugeinsatz steigen, trotz diesjähriger Stagnation, stetig an (vgl. BIEK 2022). Der zugehörige Verkehrssektor verfehlte im Jahr 2022 die Klimaziele durch den zusätzlichen Ausstoß von etwa 3 Millionen Tonnen CO2 (vgl. BMDV 2022).

Eine der Klimasofortmaßnahmen ist der weitere Aufbau von Ladeinfrastruktur. Und hierbei wird wieder einmal deutlich: elektrische PKW und Nutzfahrzeuge erfahren seit Jahren massive Förderprogramme. Sie haben es nun erreicht, mit einer Anzahl von fast 2 Millionen Fahrzeugen in Deutschland, Teil des Massenmarkts und erfolgreich etabliert zu sein. Trotzdem bleiben sie singulärer Fokus der Förderprogramme (vgl. BMWK 2022). Eine Internalisierung der Kosten wird dabei nicht vorgenommen. Dabei sind diese Fahrzeuge zwar durchaus lokal emissionsfrei und werden beispielsweise in der Logistik für Großsendungen oder den Einsatz auf der mittleren Meile benötigt. Sie weisen jedoch auch einen weit höheren Flächen- und Energieverbrauch als andere Logistiklösungen in Form leichterer Nutzfahrzeuge vor.

Zu den leichteren Nutzfahrzeugen zählen (gewerbliche) Lastenfahrräder, welche in den letzten Jahren deutlich an Diversität, Professionalität und Nutzbarkeit zugenommen haben. Sie sind lokal emissionsfrei, energieeffizient, transportieren Ladungsvolumina bis über 2 m³ und Zuladungen von mehreren Hundert Kilo und sie können den Stau umfahren. Längst sind sie kein Nischenprodukt mehr, sondern haben durch immense Verlagerungspotenziale sowie wachsende Marktanteile einen beachtenswerten Platz als Logistiklösung eingenommen. Eine europäische Studie hat ergeben, dass über 50 % der Wege des urbanen motorisierten Güterverkehrs auf diese verlagert werden können (vgl. ECF 2013). Und auch für die bestehende Problematik der fehlenden Fahrer:innen bieten diese eine Lösung, da sie keinen Führerschein benötigen und entsprechend andere Personengruppen erreichen (vgl. Tagesspiegel 2022).

Diese vielzähligen Vorteile werden auch von Unternehmen diverser Branchen erkannt, welche ihre Flotten ergänzen oder komplett umstellen möchten. Jedoch ist die Anschaffung von Lastenrädern auch aufgrund der hohen Förderung der Elektroautos wenig rentabel. Hier gibt es ein massives Ungleichgewicht in der Förderlandschaft klimaschonender Mobilität.

 

Die hier unterschriebenen Hersteller sowie weitere Akteure, Unternehmen und Verbände unterstützen ausdrücklich die im Mai durch die Verbände Zukunft Fahrrad, RLVD und ZIV erstellte Auflistung von Forderungen bezüglich einer Novelle zur E-Lastenradlinie, welche an die entscheidenden Akteure versendet wurde und erhoffen endlich verbesserte Förderungskonditionen zu ermöglichen.

Aus den Vorschlägen der Verbände möchten wir für die Logistik einen Fokus auf die folgenden drei Punkte legen.

 

1. Leasing fördern

Anders als bei Elektro-Pkw ist die Förderung von Lastenrädern und Lastenanhängern bisher nicht leasingfähig. Für den gewerblichen Bereich ist die Förderfähigkeit von Leasing jedoch ein wichtiger Hebel, da es mittlerweile der Standardweg in der Beschaffung ist. So beträgt bei gewerblichen PKW- und Nutzfahrzeugzulassungen die Leasingquote rund 64 Prozent. Gerade Kleingewerbe, Vereine und Verbände profitieren von der Liquidität schonenden Art der Finanzierung sowie der besseren Planbarkeit ihrer Ausgaben. Daher werden rund 85 Prozent aller Leasing-Verträge in Deutschland mit mittelständischen Kunden geschlossen. Die Bundesregierung schließt Leasing explizit aus, weil ein geleastes E-Lastenfahrrad /- Anhänger dem Leasingnehmer (Antragsteller) nur zur Nutzung überlassen wird und nicht in sein Eigentum übergeht. Aber ebenso wie die E-Pkw-Richtlinie Leasing ermöglicht, sollte auch die ELR leasingfähig sein und sich die Förderhöhe äquivalent zur E-Pkw-Richtlinie an folgenden Haltedauern orientieren: Ein Fahrzeug mit einer Leasinglaufzeit über 23 Monate erhält die volle Förderhöhe, ein Fahrzeug mit einer Leasinglaufzeit von 12-23 Monaten erhält 50% der Förderhöhe und ein Fahrzeug mit einer Leasinglaufzeit von 6-11 Monaten erhält 25% der Förderhöhe (ZIV/RLVD/Zukunft Fahrrad 2022).

 

2. Erhöhung der Fördersätze und Anpassung der Bindefrist

Die Fördersätze bleiben aktuell weit hinter Fördersätzen für Elektroautos zurück. Professionelle und für den Güterverkehr besonders leistungsfähige Lastenräder kosten zwischen 10.000€ und 25.000€ Netto. Bei der Anschaffung werden aktuell nur 25% der Anschaffungskosten bis max. 2.500€ pro elektrischem Lastenrad oder Lastenanhänger gefördert. Die Förderung sollte den Elektroautos gleichgestellt werden, was die Förderung von 40% der Anschaffungskosten bis max. 9.000€ pro Lastenrad oder Lastenanhänger bedeutet. Gleichzeitig muss auch die aktuelle Bindefrist von 3 Jahren bei Lastenrädern und Lastenanhängern auf die Bindefrist analog von Elektroautos angepasst werden. Hier ist eine 6-monatige Mindesthaltedauer vorgeschrieben (ZIV/RLVD/Zukunft Fahrrad 2022).

 

3. Vorzeitigen Maßnahmenbeginn ermöglichen

Aktuell kann eine Zuwendung nur dann gewährt werden, wenn die/der Antragsteller:in zum Zeitpunkt der Bewilligung mit dem Vorhaben nicht begonnen hat. Das bedeutet in der Praxis, dass zur Auslieferung bereitstehende Lastenräder oder Lastenanhänger beim Händler oder Hersteller darauf warten, dass die dazugehörige Förderung bewilligt wird. In dieser Zeit können sie nicht eingesetzt werden. Die Anschaffung kann sich je nach Antragsmenge bei der Bewilligungsbehörde um mehrere Wochen verzögern. Wir fordern daher, dass Lastenräder bzw. -Anhänger auf eigenes Risiko ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Förderantrages in Betrieb genommen werden können, alternativ ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn wie in der alten Regelung für Schwerlastenräder möglich ist (ZIV/RLVD/Zukunft Fahrrad 2022).

Eine Verringerung des Wirtschaftsverkehrs in Innenstädten ist nicht absehbar. Daher ist es absolut notwendig, dass die Umstellung auf alle energie- und flächeneffizienten Fahrzeuge für Unternehmen vereinfacht wird und die Art und Höhe der bundesweiten Förderung an die aktuelle Handlungsnotwendigkeit angepasst wird. Alle CO2-einsparenden Logistiklösungen müssen eine gleichwertige Förderung erhalten.

Wir sehen die Fortführung, die Erhöhung der Fördermittel und auch des Fördertopfes sowie die Öffnung gegenüber Leasing für absolut notwendig, um bestehende Klimaziele einzuhalten. Städte sind Treiber der CO2-Emissionen. Sie sind aber auch von diversen Flächenkonflikten sowie den Auswirkungen des Klimawandels betroffen (vgl. Dierks 2019). Es werden daher dringend Verbesserungen des urbanen Güterverkehrs benötigt, welche durch eine ausschließliche Dekarbonisierung der Verkehrsmittel nicht erreicht werden. Um nennenswerte Ziele für die Umwelt, sichere Straßen und eine erhöhte Lebensqualität zu erreichen, gilt es eine umfassende Änderung aktueller Logistikprozesse und den Einsatz von (E-) Lastenfahrrädern zu fördern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellenverweise

Umweltbundesamt (2022): https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#-das-mehr-an-pkw-verkehr-hebt-den-fortschritt-auf

BIEK (2022): https://www.biek.de/files/biek/downloads/papiere/BIEK_KEP-Studie_2022.pdf

BMDV (2022): https://www.bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2022/051-wissing-sofortprogramm-zur- einhaltung-der-klimaziele-im-verkehrssektor.html

BMWK (2022): https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/07/20220726-habeck-umweltbonus-wird-ab- januar-2023.html

BMWK (2022): https://www.bafa.de/DE/Energie/Energieeffizienz/Elektromobilitaet/Neuen_Antrag_stellen/neuen_antrag_stellen_node.html

ECF (2013): https://ecf.com/projects/past-projects/cyclelogistics

Tagesspiegel (2022): https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/in-deutschland-fehlen-zwischen-80000-und-100000-lkw-fahrer-4347079.html

Dierks (2019): https://www.deutschlandfunk.de/serie-klimakommunen-1-1-treiber-und-betroffene-staedte-und-100.html